Heute bin ich wieder einmal auf Forschungsergebnisse zu Hummeln gestoßen. Eine aktuelle Studie aus den USA zeigt: Hummeln sind alles andere als zufällige Blütenbesucher – sie sind präzise Nährstoffstrategen.
Stell dir vor, du gehst einkaufen und wählst deine Lebensmittel nicht nach Geschmack oder Verfügbarkeit aus, sondern berechnest dabei exakt den Protein-, Fett- und Kohlenhydratgehalt für eine optimale Ernährung. Genau das machen wilde Hummeln – und das mit einer Präzision, die Ernährungswissenschaftler*innen beeindruckt.
Ein Forschungsteam der Northwestern University und des Chicago Botanic Garden hat acht Jahre lang wilde Hummeln in den Colorado Rocky Mountains beobachtet. Das Besondere: Erstmals wurde eine ganze Wildbienengemeinschaft über einen so langen Zeitraum untersucht – nicht nur einzelne Arten im Labor.
Die Wissenschaftler*innen um Paul CaraDonna verfolgten acht verschiedene Hummelarten und analysierten minutiös, welche Blüten sie für die Pollensammlung aufsuchten. Anschließend wurde der Nährstoffgehalt von 35 verschiedenen Pflanzenarten im Labor bestimmt.
Die Kernentdeckung war, dass Hummeln sich in zwei deutlich unterschiedliche Ernährungsnischen aufteilen:
- Langzüngige Arten bevorzugen proteinreiche Pollen (weniger Zucker und Fette)
- Kurzzüngige Arten sammeln kohlenhydrat- und fettreiche Pollen (weniger Protein)
Diese Aufteilung ist nicht zufällig, sondern steht in direktem Zusammenhang mit der Zungenlänge und damit den zugänglichen Blütentypen. So vermeiden die verschiedenen Arten Konkurrenz und können erfolgreich nebeneinander existieren.
Wer sich jetzt fragt, eigentlich stammen doch die Kohlenhydrate aus dem Nektar, hat insoweit recht, als:
- Nektar = Hauptquelle für Kohlenhydrate (Zucker/Energie)
- Pollen = Hauptquelle für Proteine und Fette (Baumaterial für Larven)
Tatsächlich gibt es aber eine Unterscheidung „proteinreich vs. kohlenhydratreich“ bei Pollen und das betrifft ein Verhältnis – nicht dass da plötzlich mehr Zucker drin ist als im Nektar.
Doch zurück zu den Hummeln. Diese passen ihre Ernährung an den Lebenszyklus ihrer Völker an.
Frühjahr: Königinnen sammeln proteinreiche Pollen (bis zu 86% Proteinanteil in manchen Blüten) für sich und ihre erste Brut – essentiell für den Kolonieaufbau.
Spätsommer: Arbeiterinnen übernehmen und wechseln teilweise zu fett- und kohlenhydratreicheren Pollenquellen – angepasst an die veränderten Bedürfnisse des etablierten Volkes.
Die Natur stellt dabei passend zur Verfügung: Frühjahrsblüten sind tatsächlich proteinreicher, während Spätsommerblüten mehr Fette und Kohlenhydrate enthalten.
Grob kann man also sagen:
- Frühjahr: Proteinreiche Pollen (für Völkeraufbau)
- Spätsommer: Energiereiche Pollen (höherer Fett-/Kohlenhydratanteil)
- Ganzjährig: Nektarreiche Blüten (für Energieversorgung der adulten Tiere)
Was man hierbei aber natürlich nicht vergessen darf, die Studie stammt aus einem spezifischen Ökosystem der Rocky Mountains. Inwieweit sich die Erkenntnisse auf deutsche Verhältnisse und insbesondere auf landwirtschaftlich intensive Gebiete übertragen lassen, ist unklar.
Für unsere anderen Wildbienenarten wie Sandbienen, Mauerbienen oder Blattschneiderbienen ist das natürlich nur schwer übertragbar. Diese fliegen ja nicht das ganze Jahr über, sondern haben nur begrenzte Zeitfenster, in denen sie auftreten. Allerdings fände ich es interessant zu wissen, ob sie, wenn sie keine oligolektischen Arten sind, ähnliche Ernährungsstrategien haben.
Trotzdem ist angesichts des dramatischen Rückgangs von Bestäubern weltweit diese Forschung hochrelevant. CaraDonna betont zu Recht:
„Trotz der allgemeinen Bedeutung wilder Bestäuber wissen wir sehr wenig über ihre Ernährungsbedürfnisse. Angesichts des weltweiten Bestäuberrückgangs ist diese Wissenslücke überraschend und besorgniserregend.“
Mein Fazit: Naturschutz muss nicht nur Blütenvielfalt, sondern auch die ausgewogene Versorgung mit Pollen- und Nektarquellen berücksichtigen. Einheimische Pflanzen sind hierbei der Schlüssel. Blumenmischungen, die wie ein Schlag auf das Auge bunt vor sich hin blühen und ständig neu angelegt werden, eher nicht. Und für die Hummeln gilt, jede Hummelart hat spezifische Ernährungsbedürfnisse – „One size fits all“ funktioniert nicht.
Was man sich noch fragen könnte, ist:
- Wie sehen Ernährungsnischen bei anderen Wildbienengruppen (polylektische Arten) aus?
- Welche Rolle spielt die Nährstoffqualität beim Bestäuberrückgang?
- Wie können wir Gärten und Landschaften gezielt nährstoffoptimiert gestalten?
Quelle: Bain, J.A., Ogilvie, J.E., Petry, W.K., CaraDonna, P.J. (2025). Nutrient niche dynamics among wild pollinators. Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 292(2053). DOI: 10.1098/rspb.2025.0643
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Northwestern University vom 27. August 2025.