Wie die Asiatische Hornisse unsere Wildbienen gefährdet

Der Winter macht sichtbar, was im Sommer verborgen blieb. Während alle über Honigbienen reden, werden die Wildbienen wieder übersehen.

In Bad Kreuznach wurden kürzlich mehrere große Nester der Asiatischen Hornisse entfernt – eines davon fast einen Meter im Durchmesser, hoch oben in einer Platane. Im Sommer hatte das dichte Laub die Kolonien verborgen. Erst nach dem Blattfall wurde ihr Ausmaß sichtbar. Allein in Bad Münster am Stein-Ebernburg fanden sich drei Nester, ein weiteres hängt im Dach des Teetempels auf dem Kauzenberg.

Und die Ausbreitung der Art ist exponentiell. Von jedem Nest aus könnten im Folgejahr acht bis zehn neue entstehen. Natürliche Feinde gibt es nicht.

Die aktuellen NABU-Zahlen bestätigen das Bild: 7.000 Meldungen in nur einem Monat, ein Drittel davon betrifft die Asiatische Hornisse. Während alle über Honigbienen diskutieren, frage ich mich: Was passiert eigentlich mit unseren knapp 600 heimischen Wildbienenarten?

Was sagt die Forschung dazu?

Im März 2025 veröffentlichte ein Team um Siffreya Pedersen eine Studie, die das Ausmaß erstmals beziffert. Über 1.500 Hornissen wurden mittels DNA-Sequenzierung untersucht. Nicht nur beobachtet, was sie ins Nest tragen, sondern analysiert, was tatsächlich gefressen wurde. Das Ergebnis: 1.449 verschiedene Arten. Von den 50 häufigsten waren 43 Blütenbesucher und Bestäuber. Darunter die Europäische Honigbiene, die Dunkle Erdhummel, die Steinhummel – allesamt wichtig für die Bestäubung europäischer Kulturpflanzen.

Die Mengenangaben stammen aus einer französischen Langzeitstudie von Rome und Kollegen. Das Team analysierte über drei Jahre 16 Nester und errechnete: 11,32 Kilogramm Insektenbiomasse pro Kolonie und Saison. Das entspricht über 90.000 bienengroßen Beutetieren. Pro Nest. Pro Jahr.

Die Forscher beschreiben Vespa velutina als „generalistischen opportunistischen Räuber“ und folgern, die Art habe wahrscheinlich geringe Auswirkungen auf seltene Wildarten. Diese Einschätzung greift aber zu kurz.

Vespa velutina trifft nicht auf intakte Ökosysteme. „Die meisten Insektenpopulationen sind aufgrund von Lebensraumzerstörung und chemischer Verschmutzung bereits im Rückgang“, warnt Pedersen. Die Hornisse kommt als zusätzlicher Stressor – und dieser kumulative Druck könnte am Ende den Ausschlag geben.

Dazu kommt: Rojas-Nossa und Calviño-Cancela wiesen 2020 nach, dass in Gebieten mit hoher Hornissendichte die Bestäubungsleistung signifikant sinkt. Nicht nur durch direkte Prädation, sondern durch Verhaltensänderungen bei den Bestäubern. O’Shea-Wheller bestätigte 2023 mit automatisierter Videoüberwachung: Allein die Anwesenheit von Hornissen erzeugt messbaren Stress bei Hummeln. Die psychologische Komponente wiegt mindestens so schwer wie die tatsächliche Erbeutung.

Und dann ist da noch das Jagdverhalten. Unsere Europäische Hornisse jagt ein breites Spektrum an Insekten, vor allem Fliegen. Bienen spielen in ihrem Speiseplan eine untergeordnete Rolle. Vespa velutina hingegen praktiziert systematisches „Hawking“ – sie lauert vor Bienenstöcken und fängt anfliegende Bienen im Schwebflug ab. Bei hoher Dichte von Bienenstöcken kann die Honigbiene bis zu 80 Prozent ihrer Beute ausmachen.

Was bedeutet das für unsere Nisthilfen?

Vespa velutina jagt opportunistisch und fokussiert sich auf lokal konzentrierte Beute. Die Studien zeigen übereinstimmend, dass die Hornissen bevorzugt dort jagen wo sich Insekten versammeln, also an blühende Pflanzen, Eingänge von Kolonien wie Bienenstöcken und – so meine These – auch große Nisthilfen mit konzentriertem Flugverkehr.

Große „Insektenhotels“ mit hunderten Brutröhren schaffen genau das, was Vespa velutina anzieht, nämlich lokale Konzentrationen von Beute. Die Parallele zu Bienenstöcken, an denen die Hornissen nachweislich systematisch jagen, liegt auf der Hand.

Die empirische Datenlage zu Vespa velutina speziell an Wildbienenisthilfen fehlt noch. Aber die Logik ist stringent. In Gebieten mit etablierten Populationen von Vespa velutina sollten wir daher unsere Strategie überdenken und kleinere, dezentral verteilte Nisthilfen statt zentraler Installationen errichten. Naturnahe Nisthabitate wie Totholz, offene Bodenstellen und Steilwände, die schwerer systematisch zu bejagen sind, sind natürlich immer zu bevorzugen.

Der Winter ist die beste Zeit für die Erfassung. Die Nester sind unverwechselbar: graubraun, oval bis birnenförmig, oft deutlich größer als Fußbälle, bevorzugt in Laubbäumen über zehn Meter Höhe. Meldungen über die NABU-Plattform helfen der Wissenschaft enorm. Nur wenn wir wissen, wo Vespa velutina etabliert ist, können wir sinnvolle Schutzmaßnahmen entwickeln.

Die Verteilung der bisherigen Meldungen zeigt: Das Saarland weist die höchste Dichte auf, gefolgt von Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg. In den östlichen Bundesländern fehlt die Art noch. Aber mit einer Ausbreitungsgeschwindigkeit von etwa 80 Kilometern pro Jahr wird sich das ändern.

Eine Art, die über 90.000 Insekten pro Kolonie und Saison frisst und dabei bevorzugt Bestäuber erbeutet, bleibt nicht ohne Folgen. Während die Imkerei bereits Schutzmaßnahmen entwickelt, hinkt der Wildbienenaturschutz hinterher.

Das muss sich ändern. Und es beginnt damit, dass wir die Frage überhaupt stellen.


Hast du Nester entdeckt oder Beobachtungen gemacht, wie sich Wildbienen in Gebieten mit Vespa velutina verhalten? Dann schreib mir bitte!


Quellen

  • Doleschel, N. (2025): Nester der Asiatischen Hornisse in Bad Kreuznach entfernt. Allgemeine Zeitung Bad Kreuznach, 13. November 2025
  • NABU Deutschland (2024): Meldeaktion Asiatische Hornisse – Erste Erkenntnisse
  • Pedersen, S. et al. (2025): Broad ecological threats of an invasive hornet revealed through a deep sequencing approach. Science of the Total Environment 970: 178978
  • Rome, Q. et al. (2021): Not just honeybees: predatory habits of Vespa velutina in France. Annales de la Société Entomologique de France 57(1): 1-11
  • Rojas-Nossa, S.V. & Calviño-Cancela, M. (2020): The invasive hornet Vespa velutina affects pollination of a wild plant through changes in abundance and behaviour of floral visitors. Biological Invasions 22: 2609-2618
  • O’Shea-Wheller, T.A. et al. (2023): Quantifying the impact of an invasive Hornet on Bombus terrestris colonies. Communications Biology 6: 990