Designer-Hefe für Honigbienen: Wenn die Wissenschaft das falsche Problem löst

Eine neue Studie aus Nature hat es in die Wissenschaftsschlagzeilen geschafft. Ich habe sie im Spiegel entdeckt unter dem Titel: „Rückgang der Biodiversität“ und  „Modifiziertes Futter könnte Bienenpopulationen stärken“.

Forscher haben eine gentechnisch veränderte Hefe entwickelt, die essenzielle Sterole für Honigbienen produziert. Was auf den ersten Blick wie ein Durchbruch aussieht, offenbart bei genauer Betrachtung eine problematische Entwicklung im Umgang mit dem Bienensterben.

Was die Forscher entwickelt haben

Das internationale Forschungsteam hat die Hefe Yarrowia lipolytica so modifiziert, dass sie sechs spezielle Sterole produziert, die Honigbienen für ihre Brutentwicklung benötigen. Diese Substanzen kommen natürlicherweise in Pollen vor, fehlen aber in kommerziellen Pollenersatzstoffen.

Das Problem: Wenn Honigbienenvölker keinen natürlichen Pollen sammeln können – sei es durch Trachtschwäche, intensive Landwirtschaft oder Klimawandel – bricht die Brutproduktion zusammen. Kommerzielle Ersatzfutter enthalten zwar Proteine und Kohlenhydrate, aber nicht die lebenswichtigen Sterole.

Die Lösung der Forscher: Eine „Designer-Hefe“, die diese Sterole biosynthetisch herstellt. In dreimonatigen Versuchen konnten Völker, die mit dieser Hefe gefüttert wurden, deutlich länger Brut aufziehen als Kontrollgruppen.

Symptombehandlung statt Ursachenbekämpfung

Diese Forschung zeigt exemplarisch, wohin wir in der Landwirtschaft und im Naturschutz steuern: Statt die Ursachen des Problems anzugehen, entwickeln wir technische Lösungen für die Symptome.

Der Grund für Pollenmangel ist nicht, dass es zu wenig Designer-Hefe gibt. Der Grund ist der massive Verlust an blühenden Landschaften durch intensive Landwirtschaft, Versiegelung und Monokulturen. Aber anstatt diese strukturellen Probleme anzugehen, basteln wir im Labor an Ersatzlösungen.

Wildbienen bleiben außen vor

Besonders problematisch: Diese Forschung konzentriert sich ausschließlich auf Honigbienen. Die über 500 Wildbienenarten in Deutschland, die ebenfalls unter Pollenmangel leiden, profitieren davon überhaupt nicht. Sie können nicht mit Designer-Hefe gefüttert werden – sie brauchen echte Blütenvielfalt.

Während Millionen in biotechnologische Lösungen für Honigbienen fließen, fehlen diese Mittel für den Schutz und die Wiederherstellung natürlicher Lebensräume, die allen Bestäubern helfen würden.

Die Gefahr der falschen Sicherheit

Solche technischen Lösungen bergen ein weiteres Risiko: Sie gaukeln vor, dass wir das Bestäuberproblem im Griff haben. Warum sollten Landwirte und Politik in aufwendige Blühstreifen und extensive Bewirtschaftung investieren, wenn es doch eine einfache Futterlösung gibt?

Diese Denkweise führt geradewegs in die nächste Abhängigkeit: von der Natur hin zu industriellen Produkten. Honigbienen werden so zu Nutztieren, die mit Designerfutter am Leben gehalten werden – während das eigentliche Ökosystem weiter degradiert.

Was wirklich gebraucht wird

Die Lösung für das Bestäuberproblem liegt nicht im Labor, sondern auf dem Feld:

  • Strukturreiche Landschaften mit ganzjährigen Blühangeboten
  • Extensive Bewirtschaftung mit reduzierten Pestizideinsätzen
  • Naturnahe Flächen in Stadt und Land
  • Politische Anreize für biodiversitätsfreundliche Landwirtschaft

Diese Maßnahmen helfen allen Bestäubern – Honigbienen wie Wildbienen gleichermaßen. Sie stärken das gesamte Ökosystem, anstatt nur ein Symptom zu behandeln.

Fazit

Die Designer-Hefe für Honigbienen ist zweifellos eine beeindruckende wissenschaftliche Leistung. Aber sie lenkt von den eigentlichen Problemen ab und verstärkt die fatale Tendenz, technische statt ökologische Lösungen zu suchen.

Echte Nachhaltigkeit entsteht nicht im Bioreaktor, sondern in der Landschaft. Jeder Quadratmeter Blühfläche, den wir schaffen, ist wertvoller als jede noch so ausgeklügelte Ersatzlösung.

Die Bienen brauchen keine Designer-Hefe. Sie brauchen eine Welt, in der wieder genug natürlicher Pollen blüht.

Praktischer Test: Dieser Hefeklotz stand einen halben Tag in meinem Garten – nicht eine einzige Biene interessierte sich dafür.


Quelle: Moore, E. et al. (2025). Engineered yeast provides rare but essential pollen sterols for honeybees. Nature. DOI: 10.1038/s41586-025-09431-y